Eslibri – Die Hüterin des Glitzers
Eine Geschichte über Mut, Glitzer und eine ganz besondere Hula-Hoop-Kraft.
In Osternburg, gleich hinter dem Drielaker See, steht ein Fernsehmast, der so hoch ist, dass er an manchen Tagen den Himmel kitzelt. Die meisten Leute glauben, er sei nur für Funk und Fernsehen da. Aber das stimmt nicht.
Denn dort, ganz oben, hausen die Tsanheser, kleine, fiese, unsichtbare Wesen, die am liebsten Juckreiz verursachen. Sie krabbeln durch die Luft wie Pollen, kichern fies und flüstern: „Kratzt euch! Kratzt euch!“
Wenn sie es übertreiben, springen die Menschen sogar in den See, um sich zu waschen.
Aber, oh je, im Wasser warten die Ees. Schleimige Wasserwesen, die an den Beinen kleben bleiben und sich anfühlen wie kalte Quallen. Man sieht sie nicht, aber wer einmal im Wasser war, vergisst sie nie.
Nur eine kennt sie beide:
Eslibri.
Der geheimnisvolle Engel von Osternburg, mit Flügeln aus Licht, einem Gürtel voll Glimmerstaub und einem Herzen, so mutig wie tausend Sonnenstrahlen.
Doch Eslibri kommt nicht einfach so. Sie erscheint nur dann, wenn ein Kind aus dem Kleingartenverein der Osternburger Gartenfreunde Hula Hoop tanzt, aber nicht irgendwie.
Der Reifen muss golden sein. Und er muss sich im Uhrzeigersinn drehen. Ganz gleichmäßig, mit einem Lied im Herzen.
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An einem heißen Dienstag stapfte Bugsi, 9 Jahre alt, barfuß durch den Garten. Ihre Oma war im Vereinsheim beim Rommé, und Bugsi hatte nichts zu tun.
„Vielleicht hilft der Reifen“, murmelte sie.
Sie schnappte sich ihren goldenen Hula-Hoop-Reifen, stellte sich auf das Rasenstück neben der Wassertonne und begann zu kreiseln. Erst langsam, dann immer gleichmäßiger, im Uhrzeigersinn.
Plötzlich vibrierte die Luft. Ein Glitzern flackerte auf. Die Blätter raschelten, obwohl kein Wind ging.
Und dann, kam sie.
Eslibri.
Mit flimmernden Flügeln, einer Stimme wie Glockenläuten und einem Blick, der sofort klar machte: Hier kommt jemand, der wirklich helfen kann.
„Bugsi, ich danke dir“, sagte Eslibri. „Die Tsanheser sind auf dem Fernsehmast außer Rand und Band. Sie planen heute ein Juck-Fest! Und im See... warten die Ees.“
„Ich will helfen!“, rief Bugsi sofort.
„Dann dreh weiter. Gib mir deine Kraft. Dein Reifen ist der Schlüssel.“
Bugsi kreiselte, und während sie sich drehte, wuchs der Glanz um sie herum. Eslibri stieg in die Luft, griff in ihren Glimmergürtel und warf silbernen Staub gen Himmel.
Zzzzzzziing! Ein Lichtstrahl sauste zum Mast.
„Aaaaah! Glitzer! Hilfe!“, riefen die Tsanheser und verzogen sich knurrend in die Bäume.
Dann drehte sich Eslibri Richtung Wasser. „Ees, zurück in die Tiefe!“, rief sie, und ein zweiter Glitzerstrahl breitete sich über dem See aus wie Zauberschaum. Die Ees blubberten enttäuscht und glitten in die Tiefe.
Bugsi ließ den Reifen fallen. „Hab ich’s geschafft?“
„Du warst mutiger als viele Große“, sagte Eslibri. „Und das reicht vollkommen.“
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Seitdem ist Bugsi etwas ganz Besonderes.
Wenn in Osternburg wieder alle kratzen, wenn der Fernsehmast summt oder jemand über glitschige Füße im See klagt, dann wissen die Kinder:
„Los, Bugsi, hol deinen Reifen!“
Denn nur sie kann Eslibri rufen.
Und Eslibri kommt. Immer.
Mit Licht. Mit Glitzer. Und mit einer riesigen Portion Mut.
Ende.