🐣 Ewos Kindheit – Eine Möwe fällt nicht, sie fliegt anders los

Es war ein früher Frühlingsmorgen am Drielaker See, als der Wind ein bisschen mehr flüsterte als sonst. In einem alten Baum am Ufer, zwischen rauschenden Blättern und Möwengeschrei, lag ein Nest,zart gebaut, aber wackelig auf einem Ast, der schon bessere Zeiten gesehen hatte.

Darin saß ein Küken.
Nicht größer als eine Handvoll Flaum mit Schnabel.
Frisch geschlüpft, die Augen noch halb zu, die Welt noch neu.
Erwin Winifred Otto, kurz: Ewo.

Er wackelte neugierig.
Er piepste.
Und dann passierte es.

Ein lauter Flügelschlag zerriss die Luft, zwei Elstern jagten sich in der Nähe, aufgebracht und laut.
Der Ast bebte.
Das Nest kippte leicht.
Und Ewo purzelte hinaus.
Nicht besonders tief,
aber tief genug, um seine kleine Welt komplett zu verändern.


🦆 Zwei Herzen, vier Füße, ein neues Zuhause

Am Boden, zwischen Gänseblümchen und Federresten, standen Mathilde und Gustav.
Ein Entenpaar, das den Frühling immer gemeinsam begrüßt,  mit einem Spaziergang durch ihr Revier und einem Auge fürs Wesentliche.

Sie sahen ihn.
Ein zartes, zitterndes Möwenküken, hilflos und gleichzeitig voller Trotz.

Mathilde legte den Flügel um ihn.
Gustav schnatterte etwas von „unserem neuen Schatz“.
Und Ewo, der verstand nicht viel, aber genug.

Von diesem Tag an war er Teil ihrer Familie.


🛟 Watscheln lernen mit Schwimmreifen

Ewo war anders.
Nicht nur, weil er irgendwann größer wurde als seine Entengeschwister.
Sondern weil er Fragen stellte wie „Warum watscheln Enten, wenn man fliegen kann?“ oder „Wieso riecht Wasser nach Abenteuer?“

Er lernte zu schwimmen, mit einem alten, orangenen Schwimmring.
Er lernte zu tauchen, mit angehaltenem Schnabel.
Und er lernte zu lieben, das sanfte Glucksen unter der Wasseroberfläche, das Pfeifen des Windes, die Stille unter Entenflügeln.

Mathilde brachte ihm das Kuscheln bei.
Gustav zeigte ihm, wie man aus einem Brotkrumen ein Festmahl macht.

Sie lachten.
Sie paddelten.
Sie waren eine Familie.

📚 Unterricht bei Eduard von Möwenstein

Als Ewo größer wurde, größer als Gustav, klüger als Entengeschichten erlaubte, wurde es Zeit für mehr.
Mehr Wissen. Mehr Fragen. Mehr Antworten mit Ecken und Flügeln.

Da kam Eduard von Möwenstein ins Spiel.
Ein alter Möwenlehrer, der am See unterrichtete, mit Brille auf dem Schnabel, Beret auf dem Kopf und einem Zeigestock aus Treibholz.

Eduard war streng, aber herzlich.
Er lehrte nicht nur Flugtechnik und Fischkunde.
Er sprach über Windrichtungen, über das Lesen von Wellen und das Schweigen der Sterne.

Ewo saß mit gespitzten Ohren,  oder besser: mit gesträubten Daunengefieder auf einem Baumstumpf, den Schwimmring noch immer um den Bauch.
Er stellte Fragen, die Eduard zum Lächeln brachten.
Und er lernte: Wissen ist wie Fliegen, es beginnt mit Mut.


🌿 Ein Vogel zwischen den Welten

Ewo wuchs in zwei Welten auf, zwischen Ententeich und Möwennest, zwischen Wasserpflanzen und Himmelsrichtungen.
Er war weder ganz das eine noch ganz das andere.

Aber genau das machte ihn aus.

Und wenn du ihn heute fragst, wo er herkommt, sagt er:
„Ich bin gefallen.
Aber ich bin nie wirklich gestürzt.
Ich bin nur anders gestartet.“

🪶 Vom Plüschküken zum Weitblickvogel

Im Laufe der Jahre ist aus dem kleinen, tapsigen Ewo ein junger Erwachsener geworden –
mit Flügeln, die mehr tragen, als nur sein Gewicht.
Er hat schwimmen gelernt, erst mit Schwimmreifen, dann mit Mut.
Er hat fliegen gelernt, nicht nur mit dem Körper, sondern mit dem Kopf.
Und er hat gesehen:
Die Welt ist manchmal laut, oft verwirrend, aber immer auch ein Ort für Gedanken, Freundschaft und die kleinen, feinen Dinge.

Ewo ist gewachsen,
nicht nur in der Größe,
sondern in Herz, Haltung und Haltungsschäden vom vielen Grübeln auf Geländern.

Heute lebt er bewusst zwischen den Welten:
ein bisschen Entensohn, ein bisschen Möwenphilosoph,
und ganz und gar Ewo.

Ewos Alltagsmoment, Seegeflüster und Beinbaumelbank

Ewo liebt den Drielaker See. Nicht nur wegen des glitzernden Wassers oder der gemütlichen Brise, die ihm durchs Gefieder fährt, sondern weil er hier Teil eines unsichtbaren, warmen Geflechts ist.

Fast täglich sieht er Brodie und Joss vorbeikommen. Sie schlendern, lachen, rätseln über die Sprache der Vögel  und manchmal, da ist Ewo sicher, meinen sie ihn. Neulich hörte er sie kichern, als sie über die Brücke kamen und über Spooner sprachen, der mal wieder durch den Matsch gewetzt war wie ein hektisches Huhn. „Unser Hektiker“, hatten sie ihn genannt. mit einem Augenzwinkern, das man bis in Ewos Federherz spüren konnte.

Sie entdeckten ein kunterbuntes Kunstwerk aus Naturmaterialien und ein paar alten Kronkorken, ein Mosaik voller Fantasie, das irgendjemand mit Liebe ausgelegt hatte. Natürlich flog Ewo dorthin. Er ließ sich auf dem Netz des Volleyballfeldes nieder und betrachtete das Gebilde still. Es erinnerte ihn an das, was das Leben manchmal ist: ein bisschen verrückt, schön unperfekt und vor allem voller kleiner Geschichten.

Und wenn Brodie und Joss ihre Runde beenden, sitzen sie fast immer noch auf ihrer Lieblingsbank, der Beinebaumelbank. Dort hängen ihre Füße über der Welt und ihre Gedanken auch. Sie schauen auf den See, philosophieren, lachen und wirken dabei so vertraut, dass Ewo sich manchmal wünscht, er könnte einfach neben ihnen landen. Einfach so. Vielleicht würden sie ihn ja wirklich verstehen. Vielleicht tun sie das ja längst.

Und so wird die Beinebaumelbank für Ewo nicht nur zu einem Aussichtspunkt, sondern zu einem stillen Treffpunkt voller Verbindung.

✨ Denn wer genau hinhört, der merkt: Manchmal sind es nicht die Worte, sondern das gemeinsame Schauen aufs Wasser, das Freundschaft entstehen lässt.

Forsetzung folgt...