Ein tragender Moment – oder: Der Professor und die Taktik des Vertrauens

Es war ein Samstag wie gemalt. Brodie hatte frischen Rosinenstuten gebacken – nach Easy’s Art, versteht sich. Ohne viel Tüdelkram, aber mit besten Rosinen, einem Hauch echter Vanille im Teig und dieser glänzenden Schicht aus zerlassener Butter und Vanillezucker, die beim Backen zu einer goldbraunen Kruste verschmilzt, wie man sie eigentlich nur von Kindheitserinnerungen kennt. Joss war draußen im Einsatz. Mit hochgekrempelten Ärmeln, konzentriertem Blick und dem Hochdruckreiniger in der Hand rückte er Fenstern, Jalousien und Fassaden auf den Leib. Eine Mischung aus Tatkraft und Leidenschaft. Herr Professor Ägidius Heribert von Mumpitz war beauftragt worden, die Leiter zu halten. Eine Aufgabe, die er sich selbst zunächst in einem umfangreichen Gedankengang als „physikalisch notwendige Grundsicherung im Sinne der präventiven Unfallvermeidung“ zurechtgedacht hatte.

Denn – so führte er innerlich aus – „der Wasserdruck steht in direkter Wechselwirkung zur Bodenhaftung der Leiter in Neigungswinkeln über 60 Grad.“ Er hatte das in Band 4 seiner Sammlung „Statische Überraschungen im Haushalt“ einst formuliert, aber hier, hier wurde die Theorie lebendig.

Und dann sah er sie. Die Sicherungs-Schlaufen, die eigentlich dazu gedacht sind, die Leiter im sogenannten Stehleitermodus – also im aufgestellten V – vor dem Auseinanderrutschen zu bewahren. „Eine gute Idee in der Theorie!“, murmelte er, „aber beim Abstieg eine potenzielle Todesfalle!“ Er runzelte die Stirn. „Ein klassischer Konstruktionsfehler. Warum keine teleskopierbaren Schienenelemente mit Antistolper-Funktion? Ich notiere das für die nächste Patentanfrage…“

Er maß. Wie immer. „Ha! Wie ich vermutet hatte. Millimeterabweichung! Und diese Sicke hier – eindeutig falsch vernietet.“ Ein Schild, das er stets dabei hatte, wurde entrollt: „Diese Leiter ist nicht genormt“. Niemand fragte je, warum er so ein Schild überhaupt besitzt.

Dann rief Brodie vom Küchenfenster aus: „Kaffeepause! Rosinenstuten ist fertig!“ Und schwupps – Joss war verschwunden. Ehrlich gesagt, auch ein wenig zu schnell, was dem Professor auffiel, aber nicht weiter kommentiert wurde.

Da stand sie nun. Die Leiter. Einsam. Nass. Und… herausfordernd.

Der Professor blickte zur Jalousie hoch. Sie war nur halb gereinigt, und irgendwo in seinem Inneren flüsterte ein mumpitziges Stimmchen: „Jetzt kannst du punkten. Vielleicht darfst du dann mal mit Musti fahren. Oder mit der Ducati. Vielleicht nur bis zur Ecke… oder sogar bis Wüsting...“

Er überlegte. Laut. Wie immer.

„Höhenangst ist lediglich eine horizontale Projektion der Fallvermeidung. Wenn ich also nicht falle, befinde ich mich gar nicht in der Höhe. Interessant.“
Er setzte einen Fuß auf die erste Sprosse. Der Eimer schaukelte. Der Lappen tropfte. Der Schweiß perlte. Der Anzug… na ja. Sagen wir: Er war nicht für feuchtigkeitsintensive Arbeitseinsätze gemacht.

Doch er putzte. Tapfer. In Schräglage. Mit höchst unprofessioneller Technik.
Dabei murmelte er: „Wenn ich stürze, stürze ich in Würde. Wenn ich falle, dann wenigstens für ein sauberes Ergebnis.“

Niemand weiß genau, wie lange er dort oben werkelte. Aber als Brodie nach ihm sah, war die Jalousie streifenfrei – und der Professor patschnass. Dafür mit stolz geschwellter Brust.

Und irgendwo zwischen Tropfen, Höhenmut und der Aussicht auf ein eventuell erlaubtes Abenteuer mit Musti oder der Ducati, wusste er:

Manchmal lohnt sich Einsatz. Auch wenn die Leiter nicht genormt ist.

 

Fußnote von Professor Ägidius Heribert von Mumpitz:
„Sollten Sie beim Anblick der gezeichneten Leiter etwa das Fehlen der – zweifellos gefährlichen – Sicherungsschlaufen beanstanden wollen, so darf ich Sie beruhigen: Diese Illustration basiert auf einer künstlerischen Interpretation meiner Erinnerung, die möglicherweise vor Aufregung leicht verschwommen war. Ich garantiere dennoch: Die Stolperfalle wurde intern streng vermerkt.“

„Professor von Mumpitz – Mit Vollgas nach Hude (fast) ohne Mumpitz“ 🏍️✨

Es war einer dieser Vormittage, an denen die Sonne auf der Hauswand kitzelte und der Mumpitz im Kopf schon leise mit den Ideen klimperte. Der Professor saß mit Joss gemütlich vorm Haus. Sie plauderten über dies und das – und wie so oft: über das Herzstück ihrer kleinen Flotte.

Da war er wieder Thema: der Musti. Kraftvoll, glänzend, sportlich – und stets ein Hauch zu laut, aber auf die gute Art. Und dann natürlich der gute alte Golfi. Eine treue Seele, wie der Professor betonte. Der Golfi hatte sie durch die Serpentinen am Gardasee getragen, in die Berge hinauf, nie gemeckert, nie gestreikt. Nur ein bisschen geschnaubt – wie ein alter Hund, der sich noch mal aufrafft.

„Und nun... die Ducati,“ flüsterte Mumpitz feierlich. Der Blick wanderte zur Auffahrt, wo sie stand – glänzend, foliert, stolz wie ein Ritter im Sonnenschein.
„Selbst gemacht“, sagte Joss.
„Ich weiß“, flüsterte Mumpitz ehrfürchtig.

„Nur bis Wüsting, vielleicht noch Hude – wegen dem Eis“, wagte der Professor zu fragen.
„Na gut, du hast ja immerhin heute nicht nur das Bad geputzt, sondern auch die Fenster – na ja, sagen wir mal, berührt. Fahr vorsichtig.“
Ein Moment der Stille. Dann das Kinn nach oben, Helm auf, und los!

Die Ducati brummte unter ihm wie ein übermütiger Philosoph nach dem dritten Espresso. Der Schal flatterte im Wind, das Buch („Die Aerodynamik des Abenteuers – natürlich von Joss Painee, handschriftlich notiert!) rutschte fast aus der Jacke, als er über die Landstraße Richtung Wüsting zischte.

Aber Halt – das Eis! Das gute Eis!
Also lenkte er weiter nach Hude. Dort parkte er die Maschine so, als sei sie aus Porzellan, stieg ab mit einer Würde, als hätte er soeben eine neue Theorie über das Raum-Zeit-Kugellager entdeckt – und bestellte eine Kugel Stracciatella. „Weil sie wie das Leben ist. Vanille mit Überraschungen.“

Zurückgekehrt, schwang er sich vom Sattel, sah Brodie mit einem leisen Grinsen – sie wusste ja schon, was jetzt kommen würde.
„Ein Gedicht von Fahrt, Brodie“, rief er. „Ein fahrender Vers, ein rollender Reim! Und das Eis in Hude... ach... ein Gedicht!“

Sie nickte.
„Dann schreib das auf. Aber erst Hände waschen. Dein feiner Anzug klebt noch vom Badreiniger.“

Und so endet diese kleine, große Mumpitzfahrt – mit einem klebrigen Anzug, einem frischen Gedicht im Kopf und einem Lächeln auf drei Gesichtern.