Mona Milbe und der Abschied im Flausch
Eine Geschichte von Freundschaft, Fensterblicken und einem neuen Zuhause
Flausch mit Aussicht
Mona Milbe wohnte im schönsten Gästezimmer, das sich eine Milbe nur wünschen konnte. Weiche Decken, regelmäßig frische Hautschüppchen, angenehme Temperaturen und über allem: Brodie.
Brodie war für Mona eine Riesin mit einem riesengroßen Herz. Warm, freundlich, klug. Nur leider auch mit einer hochsensiblen Nase.
„Ich bin kein Parasit, ich bin eine Zimmermilbe mit Herz!“, murmelte Mona jeden Morgen aufs Neue, während sie sich genüsslich durch die weichen Deckenwellen ihres flauschigen Wunderlandes kuschelte. Und obwohl Brodie oft niesen musste, glaubte Mona fest daran: „Sie mag mich trotzdem.“
Aber in letzter Zeit war etwas anders. Brodies Niesen klang entschlossener. Ihre Augen tränkten weniger liebevoll. Mona spürte es: Ihre Zeit im Flausch lief langsam ab.
Der große Gedanke
An einem sonnigen Morgen saß Mona auf der Bettkante. In Gedanken blickte sie hinaus zum Fenster.
Dort draußen war der Graben, ein weiter Streifen Welt. Und darunter stand er: Dumdum, der schweigsame Steinwächter, der auf einem Kortenstahlständer thronte, den Joss, Brodies Fels in der Brandung, selbst gebaut hatte.
„Vielleicht sollte ich gehen“, flüsterte Mona. Nicht aus Trotz. Aus Liebe.
Aber nicht zu den unfreundlichen Nachbarn, oh nein. Dort lebten zwei stattliche Hunde, die Milben wie sie mit einem einzigen Happs verschlingen würden. Nein, wenn schon ein Umzug, dann dahin, wo sie niemandem schadet, aber dennoch ein schönes Leben hätte. Vielleicht... in die alten Wolldecken im Hauswirtschaftsraum? Die lagen dort weich, gemütlich, voller Flausch und ohne allergische Konsequenzen.
Aber vorher musste sie es sehen. Das Fenster. Den Ausblick. Und vielleicht... ein bisschen Klarheit finden.
Der Weg der Wagemutigen
Der Weg zum Fenster war für Menschen ein paar Schritte. Für Mona? Eine echte Weltreise.
Zuerst durchquerte sie das Tal der Gymnastik, wo Brodies Pilates-Matte ausgerollt lag, eine endlose Gummilandschaft, glatt wie Glas und tückisch wie Seife. Jeder Schritt war ein Abenteuer.
Dann kam der Hula-Hoop-Krater, groß, kreisrund, launisch. Einmal falsch berührt, rollte das bunte Ding einfach los. Mona schlich sich darunter hindurch. Plötzlich: ein Zittern, ein Kippen, sie warf sich zur Seite, riss sich fast ein Beinchen auf, aber sie gab nicht auf.
Vor ihr thronte nun die Musikbox-Klippe. Mona erklomm die Lautsprecherwand, balancierte über ein wackliges Kabel, und schaffte es aufs TV-Sideboard. Von dort hüpfte sie weiter auf das große Sideboard. Das war für sie wie ein Hochplateau. Ein Ort der Erinnerungen. Eine Galerie voller Herzmomente.
Fotos, Freunde, Funkverbindung
Das erste Bild: Brodie und Nic. Auf einer Fähre von Borkum nach Emden. Der Wind spielte mit ihren Haaren, aber ihr Lachen war stabil wie ein Leuchtturm.
„Das ist echte Freundschaft“, flüsterte Mona.
Daneben: Brodie und Joss, ganz still, auf einem Schiffsponton in Entenwerder. Zwei Menschen, die nichts sagen mussten, um sich zu verstehen.
Weitere Bilder zeigten andere Lieblingsmenschen. Herzmenschen. Jeder Rahmen ein Kapitel im Leben von Brodie.
Und dann, nochmal Nic. Mit einem Grinsen, das ein bisschen frech und unglaublich liebevoll war. Mona wurde ganz warm ums Herz.
Denn sie kannte diese Stimme. Oh ja.
Wenn Brodie abends im Bett lag, müde, aber wach im Herzen, kuschelte sie sich ein, griff zum Handy und drückte auf „Abspielen“.
Und dann erklang es:
„Hallo Schnitte, hier ist die Brigitte!“
Mona schmiss sich jedes Mal weg. Ernsthaft! Sie kugelte sich vor Lachen durch die Bettritze.
Diese Stimme! Diese Mischung aus Humor, Tiefe, Lebensklugheit und immer dieses ehrliche: „Ich bin da für dich.“
Nic erzählte. Vom Tag. Vom Gefühl, manchmal missverstanden zu sein. Vom kleinen Glück. Und Brodie hörte zu, mit dem ganzen Herzen.
Mona fühlte sich dann, als säße sie mittendrin, zwischen diesen beiden Seelen. Zwischen Nic und Brodie, verbunden durch Worte, Sprachnachrichten und einen unsichtbaren Faden voller Vertrauen.
Und jetzt, jetzt wohnten Nic und CJ ganz nah bei Brodie und Joss. Luftlinie kaum ein Kilometer.
Brodie strahlte jedes Mal, wenn sie von den beiden sprach.
„Nic ist glücklich“, dachte Mona.
„Und Brodie ist glücklich, weil Nic glücklich ist.“
Und Mona? Sie war glücklich, weil Brodie glücklich war. So einfach.
Der Blick durchs Licht
Mit allerletzter Kraft kletterte Mona auf die große Kunstblume auf der Fensterbank. Blatt für Blatt arbeitete sie sich hoch. Die Pflanze wippte, schwankte, aber hielt.
Und dann sah sie ihn.
Dumdum.
Stumm. Erhaben. Ruhig.
Er schaute auf den Graben. Auf die Welt. Auf Mona. Und sie fühlte sich... gesehen.
Der Graben glitzerte.
Die Luft war klar.
Der Ausblick: grenzenlos.
„Wenn ich hier wohnen würde… bei den Wolldecken…“, murmelte sie,
„dann könnte ich jeden Tag dich sehen, Dumdum.“
Und plötzlich fühlte sich der Gedanke nicht mehr traurig an.
Sondern: richtig.
Abschied im Flausch
Am Abend lag Brodie in ihrem Bett. Die Decke war frisch gewaschen, die Luft ruhig. Und Mona... war nicht mehr da.
Im Hauswirtschaftsraum stand jetzt ein kleiner Karton. Darin eine weich gefaltete Wolldecke. Daneben ein Wattebäuschchen, das wie ein Sofa aussah. Und ein Zettel.
Darauf stand:
„Für Mona. Danke für alles.“
Mona hatte ihre neue Heimat gefunden. Ohne Tränen. Ohne Drama.
Nur mit Liebe.
Epilog: Vom Fenster zur Freiheit
Jetzt lebt Mona bei den Wolldecken. Sie hat ihren eigenen Ausblick auf Dumdum, auf den Graben, auf das große Draußen.
Sie hört immer noch Brodies Lachen aus dem Gästezimmer.
Manchmal auch die Stimme von Nic.
Und jedes Mal, wenn sie ein zartes
„Hallo Schnitte, hier ist die Brigitte“
hört, kugelt sie sich kichernd in ihre Flauschdecke.
Und Brodie?
Manchmal legt sie ihre Hand auf den Wolldecken-Karton und flüstert:
„Ich hab dich nicht vergessen, kleine Mona.“
Und Mona?
Die lächelt ☺️
und kitzelt sie ganz leicht an der Fingerspitze.
Ende … fürs Erste.
Denn wo Mona ihre Spuren hinterlässt,
bleibt immer Platz für das nächste Abenteuer.
Fortsetzung folgt.