Rückkehr zum Drielaker See

Red und Pointer vom Silbersee hatten sich eigentlich gut eingerichtet im Graben am Sandweg. Es war ruhig, kühl, und Brodie und Joss kamen regelmäßig vorbei, das war Goldfischluxus. Doch das Leben macht manchmal Kurven, besonders wenn man Flossen hat.

Eines Tages, am Übergang zum Hemmelsbäker Kanalweg, schwammen sie durch den langen Tunnel. Dunkel war’s, ein bisschen muffig, das Echo ploppte an den Wänden wie Seifenblasen. Und da, mitten im Tunnel, trafen sie ihn.

Stupid vom Meere.

Er trieb ihnen entgegen, elegant wie ein Sack Salat im Strudel, die Flossen leicht verheddert in einem Stück Plastikband.

„Hallo Cousins!“, rief er strahlend und prallte dabei fast gegen ein schräg liegendes Stück KG-Rohr.

Stupid, der mit vollem Namen Salomon Theodorus Ulysses Percival Ignatius Dorian vom Meere hieß (aber seit jeher liebevoll „Stupid“ genannt wurde, weil er als Fischkind oft falschrum schwamm), war plötzlich zurück.

Er kam aus Richtung Oppeln, der große, weite Weg der Rückkehrer.

„Ich wollte euch besuchen…“, sagte Stupid, „…und vielleicht den See mal sehen, von dem ihr immer erzählt habt.“

Red (eigentlich Rafael Emmanuel Dorian) und Pointer (alias Percival Octavius Ignatius Nathaniel Theodor Elian Rufus) sahen sich an, zogen einmal die Kiemen zusammen  und nickten.

„Dann schwimmen wir halt nochmal hin. Zum Drielaker See. Aber diesmal als Team.“

Ihre Namen, so klangen sie jedenfalls, waren ein Erbe der stolzen Fisch-Adelsfamilien. Die Eltern hatten ganze Tafeln voller Namensbücher gewälzt, Initialen kombiniert und Bedeutungen abgewogen, damit aus den drei Jungfischen später mal etwas Bedeutendes werden sollte.

Und was blieb am Ende?

Red, weil er einfach leuchtend rot war, auch wenn seine Mutter immer behauptete, es stünde für Rafael Emmanuel Dorian.

Pointer, weil er silberne Punkte auf den Flanken hatte. Die anderen meinten zwar, es käme von seinem „immer auf alles zeigen“  aber das war eigentlich nur ein Nebeneffekt.

Und Stupid, weil… na ja… er klebte als Fischbaby oft mit dem Maul an der Scheibe.

Drei große Namen, drei ganz normale Fische. Und genau das machte sie besonders.

Und so begann ihre kleine Rückreise.

Doch die Wasserwege hatten sich verändert.

Der Graben war voll mit Müll: Flaschen, Plastiktüten, Reste von Fahrradsätteln, ein halbvolles Duschgel  und das, obwohl gerade erst „Oldenburg räumt auf“ war. Offenbar nicht hier.

Die drei Goldfische machten das Beste draus.

Pointer organisierte eine Durchschwimm-Zeitmessung durchs KG-Rohr („2,4 Sekunden! Neuer Rekord!“).

Red schwamm durch eine umherliegende Lupe, was sein Gesicht riesig erscheinen ließ und alle zum Prusten brachte.

Stupid krachte in ein ausgedientes Brillengestell und bekam es erstmal nicht mehr vom Kopf. „Ich seh jetzt alles doppelt… auch mich!“, rief er und lachte selbst am lautesten.

Doch dann kam das Licht.

Hinter einer Aluleitplanke, nach dem letzten Knick im Graben, tat sich der Drielaker See auf.

Glitzernd. Groß. Laut. Lebendig.

„Da ist er“, flüsterte Red.

„Fast wie früher… nur besser“, sagte Pointer.

„Und riecht wie Seetang mit Abenteuer!“, rief Stupid und machte eine Ehrenblase.

Sie schwammen nebeneinander hinaus. Drei adlige Namensträger mit Kindheitskosenamen, die sich durch Schlamm, Müll und Tunnel gekämpft hatten. Nicht weil sie mussten. Sondern weil man eben Dinge zeigt, die einem wichtig sind.

Und manchmal heißt das:

Zurückschwimmen, 

durch den Müll. 

In die Erinnerung

und ins Jetzt.